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RTL-Programmchefin Inga Leschek: „Heute ist Content der Endgegner”
Die Wienerin Inga Leschek ist seit 2023 Programmchefin bei RTL und dem Streamingdienst RTL+. Im Interview mit TV-MEDIA spricht sie über die Zukunft des Fernsehens, erklärt, warum junge Zielgruppen „keinen Bullshit” wollen und wie es um die RTL-Übernahme von Sky steht.


TV-MEDIA-Interview
Die TV-Landschaft hat sich brutal verändert, Streaming bedroht das Free TV. Wünschen Sie sich manchmal, Programmchefin vor der Gründung von Netflix & Co gewesen zu sein, als die ganze Welt noch TV geschaut hat?
Inga Leschek:
Jede Zeit in unserer Branche hatte ihre Reize und ihre Herausforderungen. Meine Vorgänger werden sich mit anderen Themen rumgeschlagen haben. Ich finde es aber total spannend, die TV-Geschichte gerade jetzt mitgestalten zu dürfen, in einer Zeit, in der lineares Fernsehen und Streaming zusammengedacht werden müssen. Und ich liebe den Wandel und die Transformation. Die besten Ideen entstehen oft dann, wenn sich das Spielfeld und auch die Spielregeln ändern. Bei RTL gestalten wir diese Transformation aktiv mit. Content war schon immer King, aber heute ist Content der Endgegner – also der entscheidende Faktor unserer Zukunftsstrategie. Und genau das macht meinen Job und die Aufgabe meines Teams so relevant wie nie.
Wird Streaming das Free TV komplett verdrängen – und wie sieht die Zukunft von RTL/RTL+ aus?
Inga Leschek:
Streaming gehört längst zum Leben und geht auch nie wieder weg, weil es absolut großartig ist. Aber: Lineares TV bleibt der größter Reichweitenmotor – vor allem für Live-Erlebnisse, ob Sport, News oder die ganz großen Show-Momente. Die Wahrheit ist: Es geht nicht um entweder oder, sondern um ein cleveres Miteinander. RTL ist aktuell der erfolgreichste Privatsender am Markt in den Zielgruppen 14–59 und 14–49 Jahre. Und gleichzeitig ist RTL+ der erfolgreichste deutsche Streamer mit über 6,3 Mio. zahlenden Abonnenten und einer Nettoreichweite von 11,2 Mio. Menschen pro Monat. Der smarte Mix aus beiden Ausspielwegen ist unser Ass im Ärmel.
Junge Leute konsumieren TikTok und YouTube – reichen da Realityformate wie „Are You The One?”, um sie für RTL/RTL+ zu begeistern?
Inga Leschek:
Junge Zielgruppen wollen keinen Bullshit - sie sehnen sich nach echten Stories, echter Relevanz, echten Menschen. Unsere Reality-Formate auf RTL+ performen überragend in der Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen. Für unser Haus bauen wir gezielt neue Talente plattformübergreifend auf: von SelfieSandra, Knossi, Twenty4Tim über Tobi Krell, bis hin zu dem Cast-Ensemble unserer spektakulären Coming of Age-Serie Euphorie. Reality TV ist ein wichtiger Baustein, um die junge Generation zu RTL+ zu holen – und wenn sie bei uns ist, überzeugen wir sie mit einem kompletten Inhalte-Angebot, das viel mehr abdeckt als Bikinis, Pool und Boom Boom-Room.
Wie steht es um die Übernahme von Sky? Was hat RTL mit Sky vor?
Inga Leschek:
Unter Vorbehalt der behördlichen Freigabe des europäischen Kartellamts ist unser Plan, mit Sky zur führenden TV- und Streaming-Plattform in Europa zu werden und so unsere Zukunft in Hinsicht auf Kooperationen und Marktmacht zu gestalten. Wir können es kaum erwarten.
KI ist gekommen, um zu bleiben. Glauben Sie, das Publikum wird bald KI-Schauspieler akzeptieren?
Inga Leschek:
KI-Technologie ist absolut atemberaubend und begeistert mich jetzt schon, obwohl sie weiterhin ständig in Entwicklung steckt und das mit beeindruckenden Erfolgen in Lichtgeschwindigkeit. Ich bin überzeugt davon, dass KI eine sehr wichtige Rolle in der Herstellung von Inhalten spielen wird – als geniales Möglichkeiten-schaffendes Werkzeug - wie ein real gewordener Zauberstab. Aber soweit ich das einschätzen kann, wird es weiterhin echte Menschen und ihre Kreativität vor und hinter der Kamera brauchen, um emotionalen Erfolg beim Publikum zu erreichen. Es wird ein Miteinander, das sich maximal befruchtet. Blut, Schweiß und Tränen werden aber immer die Magic-Sauce für Erfolg sein – und die spuckt eine KI aktuell noch nicht aus.
Zum Schluss ein kurzer Rückblick: Was war Ihr persönlich unvergesslicher TV-Moment der letzten 30 Jahre?
Inga Leschek:
Als trauriges Beispiel ist es die Berichterstattung während der Terroranschläge bei 9/11 im Jahr 2001. All die Blickwinkel, Emotionen, die Nähe, die Wahrheit und schonungslose Direktheit. Das intensive Gefühl, dass die Welt gerade stillsteht und zusammenhält. Dass alle Menschen sich umarmen und Trost spenden möchten. Alle Augen waren nach New York gerichtet und New York hat Bilder gesendet, die niemals in Vergessenheit geraten werden.
Als positives Beispiel auf jeden Fall die Eröffnung des ESC in Düsseldorf 2011, als Lena Meyer-Landrut neben Stefan Raab, Judith Rakers und Anke Engelke eine großartige Opening-Performance auf die Bühne gebracht hat.
Und dann - nicht weniger imposant - die Rückkehr von Stefan Raab auf das TV-Parkett in 2024, als er bei RTL bei einem spektakulären Boxkampf zum dritten Mal gegen Regina Halmich in den Ring gestiegen ist, um nach fast 10 Jahren TV-Abstinenz mit einem unglaublichen Comeback zurück auf die große Showbühne zu kehren. Der „Clark Final Fight” war mit 8 Millionen Zuschauern ein TV-Moment, der in der RTL-Zeitgeschichte unvergesslich bleiben wird.

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