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Josef Hader: „Ich möchte nie in Pension gehen”
Der 63-jährige Kabarettist und Schauspieler über seine Rolle im ORF/ZDF-Drama „Sturm kommt auf”, Gräben in seinem Heimatdorf und seine Pläne für die Zukunft.


Josef Hader als Julius Kraus in „Sturm kommt auf”
© ORF/ZDF/Claussen+Putz/Film AG/Mathias BothorOskar Maria Graf (1894–1967) war ein bayerischer Schriftsteller, der im Roman „Unruhe um einen Friedfertigen” beschrieb, wie der Nationalsozialismus in einem Dorf aufkeimte. Im Mittelpunkt steht Schuster Kraus, der sich aus allem Politischen raushält und trotzdem unter die Räder kommt. Denn er ist Jude.
Der Roman (aus 1947) wurde jetzt von ORF und ZDF als Zweiteiler unter dem Titel „Sturm kommt auf” verfilmt, die Hauptrolle übernahm Josef Hader. In wichtigen Nebenrollen: Verena Altenberger als freundliche Nachbarin und die Eberhofer-Stars Sebastian Bezzel (als Kommunist) und Sigi Zimmerschied (als Bürgermeister, der mit einem Nazi-Sohn gestraft ist). Wir baten Josef Hader zum Interview:
„Loslassen kann ich nicht”
TV-MEDIA: „Sturm kommt auf” ist ein wichtiger Film, die Stärke liegt meiner Meinung nach in seiner Ruhe.
Josef Hader: Ich finde, er hat eine sehr starke Stimmung. Und obwohl es ein Drama ist, hat er so kleine komische Momente, die einem die Figuren und die Zeit menschlich näherbringen. Ich halte den Film auch für sehr gelungen.
TV-MEDIA: Viele sehen heute das Ende der Demokratie nahen. Wird der Teufel an die Wand gemalt, oder sehen Sie das ähnlich?
Josef Hader: Mein Schulfreund erzählt mir, dass in dem Dorf, wo ich herkomme, die Menschen über bestimmte Themen nicht mehr miteinander reden, damit sie sich nicht zerstreiten. Wenn diese gesellschaftlichen Gräben schon in der kleinsten Einheit, also im Dorf, ankommen, dann merkt man schon, dass ein Umbruch vor sich geht. Die Parallele zum Film ist, dass da auch anhand eines Dorfes beschrieben wird, wie die gesellschaftlichen Gruppen auseinanderfallen.
TV-MEDIA: Nicht mehr miteinander zu reden, kann keine Lösung sein. Sind wir wirklich schon so weit?
Josef Hader: Es ist ja so: Das Dorf ist die kleinste Einheit, wo die Leute miteinander auskommen müssen. Da orientiert sich die Politik an den Bedürfnissen der Menschen, die Politiker sind nah am Bürger, und die Partei ist da eigentlich nicht so wichtig. Wenn das jetzt langsam dort ankommt, dass man die Konflikte groß aufbläst, wenn man sich davon politisches Kleingeld erwartet, dann ist das wahrscheinlich ein Alarmzeichen.
TV-MEDIA: Wie ist es bei Ihnen, mit Leuten zu reden, die anderer Meinung sind?
Josef Hader: Ich habe immer schon Interesse gehabt an Menschen, die nicht meiner Meinung sind. Es ist vielleicht ein bisschen ein Insektenforscher-Interesse, das man als Kabarettist automatisch hat. Wenn mir ein Taxifahrer die Welt erklärt, bin ich hocherfreut und höre mir das alles an. So geht’s mir eigentlich mit allen Menschen. Einen Gesprächsabbruch halte ich von beiden Seiten für falsch.
TV-MEDIA: Frederic Linkemann spielt den Bösewicht in „Sturm kommt auf” gruselig überzeugend. In Amerika gibt es Method Actors, die in den Drehpausen in der Rolle verharren. Wie war das an diesem Set?
Josef Hader: Frederic spielt das wirklich großartig, und das Spannende ist, dass er privat so ein liebenswerter Mensch ist. Wir waren am Set jedenfalls nicht sehr amerikanisch. Wir haben eine entspannte und feine Atmosphäre gehabt, weil Regisseur Matti Geschonneck diese Atmosphäre geschaffen hat. Alle waren freundlich und gut aufgelegt, und dann haben wir uns wieder auf unsere Rollen konzentriert.
TV-MEDIA: Ich weiß, es ist Ihr Job, aber in den Drehpausen lacht man – und sobald die Kamera an ist, ist man auf Knopfdruck in diesem harten Thema?
Josef Hader: Ich glaube, dass man es nur so schaffen kann. Die Drehtage dauern oft 10, 12 Stunden. Manchmal ist es zu kalt, dann wieder zu heiß, es gibt immer Zeitdruck – ohne die gute Laune dazwischen würde man die Arbeit nicht schaffen.
TV-MEDIA: Sebastian Bezzel und Sigi Zimmerschied sind zwei wesentliche Protagonisten der Eberhofer-Komödien. Was halten Sie von den Filmen?
Josef Hader: Die finde ich super, weil sie einen ganz eigenen Stil und ganz eigene Atmosphäre haben.
TV-MEDIA: Zurück zu „Sturm kommt auf”: Sie sind selbst Regisseur. Hat es Sie manchmal gejuckt, sich einzumischen?
Josef Hader: Um Gottes Willen, die Versuchung hatte ich nie! Abgesehen davon, dass es lächerlich wäre, weil Matti Geschonneck einer der größten Fernsehregisseure im deutschsprachigen Raum ist, ist man als Schauspieler auf seine Arbeit konzentriert und hat gar keine Aufmerksamkeit dafür, wie der Film gemacht wird.
TV-MEDIA: Lustig, dass Sie das sagen, wo Sie doch in Ihren eigenen Filmen mitspielen.
Josef Hader: Ja, das ist die große Überforderung (lacht). Aber wenn ich an einem Drehbuch jahrelang gearbeitet habe, will ich es auch selbst verwirklichen. Loslassen kann ich nicht. So ganz zufrieden bin ich aber auch nie. Es ist ein ungelöstes Problem.
TV-MEDIA: Wie sieht es mit einer dritten Regie-Arbeit nach „Wilde Maus” (2017) und „Andrea lässt sich scheiden” (2024) aus?
Josef Hader: Derzeit sieht es so aus, dass ich vielleicht in eineinhalb Jahren ein neues Programm mache. Wenn ich da beim Schreiben nicht weiterkomme, kann es sein, dass ich eine Filmidee spinne. Aber es gibt nichts Spruchreifes. Ich möchte ja nie in Pension gehen, gleichzeitig gehe ich es aber nicht so hastig an.

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