Veröffentl. am / Aktualisiert am
Paula Beer - „Man muss sich jedes Mal neu füreinander entscheiden“
Die 30-jährige Schauspielerin („Undine“, „Bad Banks“) glänzt gleich in zwei neuen Produktionen. In der Max-Frisch-Verfilmung „Stiller“ spielt sie die Ehefrau eines mysteriösen Bildhauers, den sie nicht eindeutig erkennt. In „Miroirs No. 3“ von Christian Petzold verkörpert sie eine junge Frau, die nach dem Tod ihres Freundes bei einer trauernden Familie Zuflucht findet. Mit TV-MEDIA sprach Paula Beer über ihre intensiven neuen Rollen.


Paula Beer
© StadtkinoFilmverleihTV-MEDIA: Wenn Sie an Ihre Anfänge denken – war es der Plan, Schauspielerin zu werden, oder ist das eher Schritt für Schritt gewachsen?
Paula Beer: Am Anfang war es eigentlich ganz einfach: Ich habe das gemacht, was mich interessiert hat. Da war kein großer Masterplan dahinter. Nach der Schule habe ich beschlossen, dass ich das Handwerk des Schauspielens richtig lernen will. Mir ging es nie darum, dass am Ende ein preisgekrönter Film dabei herauskommt oder dass meine Arbeit in eine bestimmte Schublade passt. Ich wollte Filme machen, die meinem eigenen Geschmack entsprechen – und das war immer mein Kompass.
TV-MEDIA: Ihre enge Zusammenarbeit mit Christian Petzold ist inzwischen legendär. Vier Filme haben Sie in Hauptrollen mit ihm gemacht, die neueste, „Miroir No. 3“, kommt nun in die Kinos. Wie ist diese Beziehung entstanden?
Paula Beer: Christian ist jemand, der gerne mit vertrauten Menschen arbeitet. Das merkt man ja auch, wenn man seine Filme anschaut – viele Gesichter tauchen immer wieder auf. Film ist ein Projektgeschäft: Man trifft sich oft zum ersten Mal, hat eine kurze Vorbereitungszeit, dreht intensiv und geht dann wieder auseinander. Das kostet Energie. Ein vertrautes Ensemble, wie man es eher aus dem Theater kennt, kann da sehr viel auffangen.
Bei Transit war es so, dass er Franz Rogowski und mir irgendwann eine Idee erzählt hat. Es war noch nicht konkret – eher wie ein Abtasten: Resoniert das bei uns? Könnte das ein Stoff sein? Und ich glaube, das ist etwas, was er oft macht. Bevor es ein Drehbuch gibt, erzählt er. Für uns beide war immer klar: Wir entscheiden uns bei jedem Projekt neu füreinander. Ich habe ihm gleich gesagt, dass ich das Buch erst lesen will, bevor ich zusage. Routinearbeit, nur weil man schon einmal gut zusammengearbeitet hat – das wäre das Schlimmste. Vier Filme sind so entstanden, aber jeder davon war eine bewusste Entscheidung.
TV-MEDIA: Petzolds Filme wirken nach außen oft sehr ruhig, entschleunigt, fast minimalistisch. Gleichzeitig sind sie voller Zwischentöne. Wie gehen Sie als Schauspielerin mit diesen Leerstellen um?
Paula Beer: Ich liebe das. Simpel zu erzählen bedeutet ja nicht, dass es simpel ist – im Gegenteil. Wegzulassen ist schwer. Etwas so zu gestalten, dass es beim Publikum ankommt, ohne dass alles erklärt wird, ist eine Kunst. Diese Offenheit, dass Zuschauende innerhalb der Handlung selbst Details miteinander verknüpfen, macht die Qualität seiner Filme aus. Mit Christian habe ich gelernt, weniger zu kontrollieren. Früher habe ich mich sehr genau vorbereitet, jede Szene, jede Emotion. Inzwischen lasse ich bewusst Lücken in meiner Vorbereitung. Das funktioniert, weil er chronologisch dreht, weil ich die Menschen kenne, mit denen ich spiele, und weil da Vertrauen ist. So kann etwas entstehen, womit ich selbst nicht gerechnet hätte. Trotzdem brauche ich eine Backstory. Ich muss wissen, wo meine Figur herkommt, wie sie fühlt, was sie erlebt hat. Nicht unbedingt die Backstory, die Christian sich denkt – sondern meine eigene Version. Das sind Anker, die mir helfen, in einer Szene glaubwürdig zu reagieren.

Paula Beer in Miroirs No 3
© StadtkinoFilmverleihTV-MEDIA: Müssen Sie das Milieu kennen, das Sie spielen?
Paula Beer: Nicht unbedingt. Ich glaube nicht, dass man jemanden umgebracht haben muss, um einen Mörder zu spielen. Es geht um den emotionalen Zugang, nicht um biografische Übereinstimmung. Manche Dinge passen einfach, andere nicht – das kann man gar nicht immer erklären. Und manchmal merkt man es erst, wenn man mitten drin ist.
TV-MEDIA: Viele Schauspieler sagen, das Kostüm hilft enorm, in eine Figur hineinzufinden. Wie ist das bei Ihnen?
Paula Beer: Absolut. Kleidung verändert alles. Ob man ein weites Sweatshirt trägt oder ein maßgeschneidertes Kleid – das ist ein anderer Körper eine andere Haltung. Schuhe machen extrem viel. Wenn ich mit Adiletten über den Flur gehe, bewege ich mich anders als in High Heels. Und dann gibt es diesen Moment, wenn man im Kostüm vor dem Spiegel steht und merkt: Das bin ich, aber nicht ich. Diese Transformation ist faszinierend. Manchmal muss ich mich erst selbst betrachten, um zu begreifen, wie ich auf andere wirke. Dann kommt die Figur wie von selbst.
TV-MEDIA: Im aktuellen Film wird Ihre Figur Laura von einer Familie aufgenommen, die ihre Tochter verloren hat. Für sie wird sie unbewusst zu einer Art Ersatztochter. Wie haben Sie diese Figur angelegt?
Paula Beer: Laura weiß zu Beginn nicht, was da passiert, aber sie spürt es. Und sie profitiert am Anfang auch davon, in dieses Familiengefüge hineinzukommen – jemand zu sein, der willkommen ist. Beide Seiten wissen intuitiv, dass das nicht ewig so bleiben kann. Aber für einen Moment hilft es ihnen, wieder in Bewegung zu kommen. Das ist das Schöne: Es ist keine dauerhafte Lösung, aber ein Anstoß.
TV-MEDIA: Besonders eindrücklich ist die Szene mit dem kaputten Geschirrspüler, der einfach ersetzt wird. Ein starkes Symbol für den Verlust der Tochter, die man eben nicht so einfach ersetzen kann wie eine Maschine.
Paula Beer: Das ist das, was ich an Christians Filmen so mag. Er erklärt nichts. Er legt etwas hin, lässt es stehen – und die Zuschauenden können entscheiden, ob das einfach ein kaputter Geschirrspüler ist oder ein Symbol. Es funktioniert auf beiden Ebenen. Wer tiefer schaut, entdeckt mehr. Wer einfach nur schaut, versteht trotzdem genug.

Paula Beer und Albrecht Schuch im Film „Stiller“
© 2025 Studiocanal GmbH / Aliocha Merker / Constantin Film ÖsterreichTV-MEDIA: Ihre Filme haben fast alle einen gewissen Anspruch, auch wenn sie nie verkopft sind. Immer wieder kam der Vergleich mit Romy Schneider. Wie empfinden Sie das?
Paula Beer: Ich habe diesen Vergleich nicht gesucht. Aber wenn jemand Parallelen sieht, dann, weil ihn etwas berührt. Ich empfinde das als Kompliment. Romy Schneider war eine großartige Schauspielerin, eine tragische Figur. Ich habe keinen bestimmten Lieblingsfilm von ihr, aber ihre Präsenz, ihre Kraft – das beeindruckt mich bis heute. Und der Vergleich hat mich nie gestört.
TV-MEDIA: Auch Romy Schneider hatte mit Claude Sautet einen Regisseur, der sie geprägt hat. Ist Christian Petzold Ihr Claude Sautet?
Paula Beer: Vielleicht. Aber ich finde, man muss da nicht zu viele Parallelen ziehen. Wenn jemand in der Arbeit etwas wiedererkennt, freut mich das. Aber ich muss es nicht einordnen.
TV-MEDIA: Sie drehen relativ wenige Projekte. Ist das ein bewusster Umgang mit Ihrer Arbeit?
Paula Beer: Ja. Ich brauche Zeit, um in eine Figur hineinzugehen, aber auch, um sie wieder loszulassen. Drehen ist körperlich und mental intensiv, und ich möchte nicht ausgebrannt von einem Projekt ins nächste stolpern. Ich arbeite bewusst weniger. Ich brauche Luft dazwischen, sonst wird das Spiel irgendwann mechanisch. Das will ich nicht. Ich will frisch sein, wenn ich vor der Kamera stehe.
TV-MEDIA: Petzold dreht chronologisch – das ist außergewöhnlich. Kommt Ihnen das entgegen?
Paula Beer: Sehr. Seine Filme entwickeln sich wie ein Fluss. Wenn man chronologisch dreht, kann man sich hineinfallen lassen, mitgehen, wachsen. Aber ich sage auch: Jede Arbeitsweise hat ihre Qualität. Bad Banks zum Beispiel hätte man so nicht drehen können. Ich sehe mich als Teil einer Idee. Ich gestalte mit, aber ich bestimme nicht alles. Das finde ich sehr befreiend.
TV-MEDIA: Wenn Sie selbst Filme oder Serien sehen – sind Sie wählerisch?
Paula Beer:Es kommt auf die Phase an. Manchmal schaue ich gar nichts, manchmal Serien oder Shows. Horror kann ich nicht – da bin ich raus. Aber grundsätzlich kann ich alles schauen. Für mich ist Film aber auch immer ein Stück Arbeit. Ich kann nicht ganz abschalten. Manchmal will ich dann lieber gar nichts schauen.
TV-MEDIA: Was bedeutet Ihnen das Schauspielen nach all diesen Jahren?
Paula Beer:Es ist immer noch dieses Staunen, dass es möglich ist, sich als Mensch in andere Gefühlszustände zu versetzen und damit wiederum Gefühle in anderen auszulösen. Das ist das, was mich fasziniert.
Trailer: Miroirs No. 3

E-Mail für dich!
Abonniere unseren Newsletter und erhalte Infos zu Highlights, Neuerscheinungen sowie Filmen und Serien, die nur mehr kurz verfügbar sind.