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Oscars: Wie funktioniert die Verleihung der Academy Awards und wer darf dabei mitreden?

Seit 1929 werden in Hollywood jährlich die besten Filme und deren Protagonist:innen vor bzw. hinter der Kamera geehrt und mit dem sogenannten Oscar belohnt. Für diese Goldstatuette würde so mancher Filmschaffende alles geben – doch wie kommt man an so ein Ding ran, und wie funktionieren die Academy Awards eigentlich? So viel sei vorab verraten: Hinter den Kulissen geht es ziemlich mathematisch und komplex zur Sache!

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Bernhard Steiner
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Kleine Goldstatue, große Wirkung: Für Filmschaffende ist der Oscar die größte Ehre – doch wie kommt man an einen Academy Award ran?

Kleine Goldstatue, große Wirkung: Für Filmschaffende ist der Oscar die größte Ehre – doch wie kommt man an einen Academy Award ran?

© Getty Images / Andrew H. Walker / Staff

Wer darf für einen Oscar nominiert werden? / Welche Filme kommen für einen Oscar infrage?

Sie ahnen es: Um eine Nominierung für den heißbegehrten Oscar zu erhalten, muss ein Film gewisse Kriterien erfüllen. In erster Linie muss er einmal eine Spielzeit von über 40 Minuten haben (dies gilt natürlich nicht für die Kurzfilm-Kategorien) und im jeweiligen Vorjahr mindestens eine Woche lang im County von Los Angeles im Kino gelaufen sein.

Überdies darf der Film vor den Awards nicht anderweitig als im Kino gezeigt worden sein – also etwa im TV oder bei einem Streaminganbieter. Eine gleichzeitige Premiere im Los Angeles County und per VoD ist jedoch erlaubt.

Zusätzlich muss ein offizielles Screen-Credits-Formular eingereicht werden. Besondere Regeln gelten für Dokumentarfilme, Animationsfilme, Kurzfilme aller Art, fremdsprachige Filme sowie Filmmusik und -songs.

Wer gibt seine Stimme bei den Academy Awards ab? / Wer sind die Wähler der Oscars?

Bei den meisten Oscar-Kategorien (insgesamt gibt es aktuell übrigens 24) darf für bis zu fünf Kandidaten gestimmt werden, mehr als einer muss aber nicht genannt werden; bei „Make-up und Frisuren“ nur für bis zu drei, weil es dort nur drei Nominierte gibt. Beim „Besten Film“ sind zwar fünf bis zehn Nominierte möglich, trotzdem kann nur für bis zu fünf gestimmt werden. Ihre Favoriten ordnen die Wähler nach Präferenz, deswegen heißt das Ganze auch Rangfolge-Wahlverfahren.

Abstimmen dürfen nur die Mitglieder des jeweiligen Zweiges, mit Ausnahme der Kategorie „Bester Film“. Was bedeutet das im Klartext? Regisseure geben ihre Votes in der „Beste Regie“-Kategorie ab, Schauspieler:innen stimmen für „Bester Schauspieler“ und „Beste Schauspielerin“ bzw. „Bester Nebendarsteller“ und „Beste Nebendarstellerin“. Die Autoren dürfen bei den „Drehbuch“-Nominierungen mitbestimmen, und so weiter.

Einige Kategorien bestimmen ihre Nominierten durch Komitees (so z. B. „Fremdsprachiger Film“, „Animationsfilm“, „Visuelle Effekte“) bzw. erstellen zunächst eine Shortlist („Dokumentarfilm“, „Make-up und Frisuren“ sowie alle Filme der „Kurzfilm“-Kategorien).

Wie funktioniert die Auszählung bei den Academy Awards?

Für die Auswertung der Stimmen ist seit der siebenten Oscarverleihung im Jahr 1935 die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) zuständig. Deren Mitarbeiter zählen – bitte festhalten – tatsächlich per Hand aus, indem sie die eingeschickten bzw. ausgedruckten Stimmzettel wieder und wieder zu Häufchen auf- und umschichten, bis alle Nominierten ermittelt sind.

Dass dabei strengste Geheimhaltung das oberste Gebot ist, muss freilich nicht extra erwähnt werden.

Besondere Maßnahmen werden für die wahrscheinlich wichtigste Kategorie „Bester Film“ getroffen: Sämtliche Stimmzettel werden zunächst nach dem Kandidaten geordnet, der bei ihnen jeweils auf Platz 1 steht. Anwärter, die nirgends auf Platz 1 aufscheinen, scheiden an dieser Stelle bereits aus. Damit soll sichergestellt werden, dass ein Kandidat mindestens einen hingebungsvollen Unterstützer hat und nicht nur jede Menge halbherzige.

Was bitte ist die „magische Zahl“ bei der Vergabe der Oscars?

Nach diesem Schritt kommt die sogenannte „magische Zahl“ ins Spiel. Auch hier muss man kein sonderliches Genie sein, um zu erraten, was passiert: es wird mathematisch.

Die ominöse Zahl gibt an, wie viele Stimmen ein Kandidat mindestens haben muss, um auf jeden Fall nominiert zu werden – und wird dadurch ermittelt, dass die Anzahl der Abstimmenden durch die Anzahl der zu Nominierenden plus 1 geteilt und dem Ergebnis 1 hinzugezählt (bei ganzzahligen Ergebnissen) bzw. es aufgerundet wird. Erreichen dann so viele Kandidaten wie es Plätze gibt diese Zahl, ist es mathematisch unmöglich, dass noch ein weiterer Kandidat genügend Stimmen bekommt. Ziemlich komplex, oder?

Ein kleines Fallbeispiel: Für die Oscars im Jahr 2017 waren insgesamt 6.687 Academy-Mitglieder wahlberechtigt. Da sie alle in der Kategorie „Bester Film“ abstimmen durften, gibt es dort mit 608 die größte „magische Zahl“ (6.687 geteilt durch 10 plus 1, dann aufgerundet = 608). Erreichen zehn Kandidaten jeweils mindestens 608 Stimmen, ergibt dies zusammen 6.080. Ein elfter Kandidat könnte dann nur noch 607 erreichen – nicht genug für eine Nominierung.

Der größte Zweig der Academy sind die Schauspieler:innen mit 1.158 Mitgliedern, was 194 zur magischen Zahl macht (1.158 geteilt durch 5 plus 1, anschließend 1 dazugezählt).

Der kleinste Zweig, der für einen Oscar nominiert wird, sind die Kostümdesigner:innen mit 117 Mitgliedern, bei denen die „magische Zahl“ 20 lautet (117 geteilt durch 5 plus 1, dann aufgerundet). Vorausgesetzt natürlich, alle stimmen ab.

Oscars: Was ist die „Überschuss-Regel“?

Was im (Mathe-)Lehrbuch steht, trifft bekanntlich selten ein – oder haben Sie tatsächlich jemals eine Person beim Einkaufen getroffen, die 20 Melonen auf einmal im Einkaufswagerl liegen hatte? Auch bei den Oscars fällt die Abstimmung im seltensten Fall so ideal aus, dass alle Plätze durch sofortiges Erreichen der „magischen Zahl“ besetzt werden. Deswegen geht es im nächsten Schritt ans große Umverteilen.

Die Stimmen aller Kandidaten, die bis hierhin mindestens 20 Prozent (abgerundet) mehr Stimmen erhalten haben als die „magische Zahl“, werden aufgeteilt (jedoch nur in der ersten Wahlrunde). Der Anteil jeder Stimme, den sie zum Erreichen der magischen Zahl benötigen, geht tatsächlich an sie, der (auf eine Nachkommastelle abgerundete) Rest an den Kandidaten auf dem Stimmzettel, der auf dem höchsten Rang darunter steht, der noch im Rennen und noch nicht nominiert ist.

Warum man die Umverteilung macht, ist einfach erklärt: Durch diese Regelung kann jeder guten Gewissens für einen Kandidaten stimmen, von dem er annimmt, dass er ohnehin besonders viele Stimmen erhält, ohne dass die überflüssigen Stimmen verloren gehen.

Sollte anno 2017 zum Beispiel der Film „La La Land“ 1.520 Stimmen erhalten haben, obwohl er nur 608 benötigte, braucht er von jeder Stimme nur 2/5, um auf 608 ganze Stimmen zu kommen. Die restlichen 3/5 jeder Stimme gehen somit an einen anderen Kandidaten auf dem Stimmzettel.

Nach dieser Umverteilung wird, wenn es noch nicht genügend Nominierte gibt, eine neue „magische Zahl“ errechnet, da ja nun weniger Stimmzettel im Spiel und weniger Nominierungsplätze zu füllen sind. Dann geht der ganze Spaß von vorne los.

Jedes Mal, wenn dabei kein Kandidat die „magische Zahl“ erreicht, fällt der Letztplatzierte weg, und seine Stimmzettel werden an die auf ihnen jeweils höchstplatzierten verteilt, die noch im Rennen und noch nicht nominiert sind – und zwar als ganze Stimmen, nicht nur anteilige.

Die Oscar-Nominierungen für den „Besten Film“

Für die wichtigste Kategorie der Academy Awards, nämlich „Bester Film“, gibt es natürlich ganz besondere Regeln: sie hat keine fixe Anzahl Nominierungen, sondern fünf bis zehn! Zudem muss ein Kandidat auf mindestens fünf Prozent der Stimmen kommen, um als „Best Picture“ nominiert zu werden. Man will damit sicherstellen, dass nicht jeder x-beliebige Film in der hochheiligen Liste aufscheinen kann.

Abermals wird die „magische Zahl“ berechnet, ausgehend von maximal zehn möglichen Nominierungen. Wer sie erreicht, ist nominiert. Erhält ein Kandidat mindestens zehn Prozent (abgerundet) mehr Stimmen, als zum Erreichen der magischen Zahl nötig sind, werden die Stimmen abermals anteilig umverteilt. Anschließend wird ermittelt, ob durch dieses Verfahren weitere Nominierte aufgepoppt sind.

Hat ein Film nach dieser Umverteilung weniger als ein Prozent (aufgerundet) der Stimmen, ist er aus dem Rennen – und seine Stimmzettel werden ebenfalls umverteilt (und zwar wie gehabt an die auf ihnen jeweils Höchstplatzierten, die noch im Rennen sind; jetzt wieder als ganze Stimmen, nicht nur anteilig). Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Stimmen von exzentrischen Wahlen nicht verfallen. Alle Filme, die nun mindestens fünf Prozent der Stimmen haben, sind ebenfalls nominiert. Sind das mindestens fünf und maximal zehn Prozent, stehen die Nominees fest. Puh!

Sind es weniger als fünf Prozent, geht die ganze Chose mit allen Stimmzetteln nochmal von vorne los, allerdings mit fünf statt bis zu zehn zu füllenden Plätzen – und somit einer höheren „magischen Zahl“.

Gibt es mehr als zehn Filme, die mindestens fünf Prozent der Stimmen haben, wird so lange der jeweils letzte Platz umverteilt, bis es höchstens zehn Filme gibt, die die erste „magische Zahl“ erreichen, und nicht nur mindestens fünf Prozent aller Stimmen.

Eine komplexe Geschichte also, für die es einige wachsame Augen geben muss. Aber so ist das nun einmal, bei der Vergabe des begehrtesten Filmpreises der Welt. Aber sind wir uns ehrlich: Wer hätte bei all dem medialen Tamtam, das rund um die Oscars stattfindet, etwas anderes erwartet? ;-)

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ÜBER DEN AUTOR
Bernhard Steiner
Bernhard Steiner

Portal-Manager von TV-MEDIA, der mit seinem Faible für Film und Kino die größte Entertainment-Website Österreichs in Schuss hält. Liebt es, am Wochenende mit dem Millennium Falcon durch Mittelerde zu düsen und beim Pizzaessen mit den Teenage Mutant Ninja Turtles über Animes zu schwadronieren.

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