Dunkirk

Beschreibung

Im Mai 1940 sind Hitlers Panzerarmeen in Frankreich und den Benelux-Staaten eingefallen. Die strategisch völlig falsch eingestellten West-Alliierten können den Vormarsch der Nazi-Wehrmacht nur verzögern, aber nicht aufhalten – geschweige denn sie besiegen. Nach zehn Tagen haben die Deutschen den Ärmelkanal erreicht und stehen nur wenige Kilometer vom kleinen Küstenort Dünkirchen (auf Französisch Dunkerque, auf Englisch Dunkirk) entfernt; ihre Artillerie erreicht bereits Ort und Hafen.

Dort haben sich über 300.000 Mann der British Expeditionary Force, die bei der Verteidigung Frankreichs geholfen hatte, im wahrsten Sinne des Wortes an den Strand gerettet und warten nun, bombardiert von Kanonen und Stukas, darauf, was weiter passiert. Einige wenige englische Lazarettschiffe und Zerstörer der Royal Navy wagen es unter Beschuss und unter Verlusten, anzulegen und Männer an Bord zu nehmen. Viel zu wenige, viel zu langsam.

Und genau in dieser Hölle aus den frühen Kriegstagen setzt Regisseur Christopher Nolan („Dark Knight“-Trilogie, „Inception“, „Interstellar“) mit seinem vergleichsweise kleinen (nur 107 Minuten), aber unfassbar intensiven Kriegsdrama „Dunkirk“ an. Publikum und Figuren (von denen wir teilweise nicht mal die Namen erfahren, geschweige denn ihre Vorgeschichte) werden von der ersten Minute an ins Geschehen geworfen, und das funktioniert so:

Nach einem kurzen Insert, das den bisherigen Kriegsverlauf beschreibt, verteilt Nolan die Geschehnisse streng auf drei örtlich und zeitlich definierte Handlungsfäden, die einander kreuzen.

1. An Land, eine Woche: Hier wird die Geschichte des jungen Soldaten Tommy (Fionn Whitehead) erzählt, der es als einziger seines Trupps ans Meer bei Dünkirchen schafft. Obwohl alles sauber in Reih und Glied am wellengepeitschten Strand steht, herrscht das Chaos. Die Sturzkampfbomber der Nazis lassen Bomben auf Schiffe und Männer regnen, die Chance, hier lebend wegzukommen, ist minimal.

Vor allem, weil sich Army und Navy nicht einig sind, wie viele Schiffe und Flugzeuge riskiert werden können, um wenigstens ein paar Soldaten rauszuholen. Denn die Schlacht um England selbst, bei der alles gebraucht wird, steht bevor. Also versucht Tommy mit einem anderen Soldaten (Damien Bonnard), der nicht spricht, irgendwie wegzukommen. Doch was immer sie auch versuchen, auch zusammen mit anderen Verzweifelten, sie landen immer wieder am Strand …

2. Auf dem Wasser, ein Tag: Hier erzählt Nolan die Geschichte des alten patriotischen Bootseigners Mr. Dawson (Mark Rylance), der mit zwei jungen Helfern in den Ärmelkanal hinausschippert, um zu helfen. Der Trip wird zu einer Tragödie, als sie einen völlig traumatisierten Schiffbrüchigen (Cillian Murphy) aufnehmen, der durchdreht, als er erfährt, dass das Boot wieder Richtung Dünkirchen fährt.

3. In der Luft, eine Stunde: Spitfire-Pilot Farrier (Tom Hardy) und seine Flügelmänner haben immer ein Auge am Himmel rund um sie, um feindliche Messerschmitt-Jäger sowie deutsche Bomber rechtzeitig zu erspähen; das andere hängt an der Treibstoffuhr. Sie haben 40 Minuten Kampfzeit über dem Kanal, ehe sie Richtung Heimat umdrehen müssen – bevor die Triebwerke ihrer Flugzeuge die Tanks leergesaugt haben. Und die tapferen RAF-Piloten werden in diesem engen Zeitfenster sehr viel zu tun bekommen …

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Rezension: Unsere Kritik zum Film

Regie-Visionär Christopher Nolan schafft mit „Dunkirk“ (2017) mehrere Kunstgriffe, die mit dem Siegel „Meisterwerk“ belohnt werden müssen: Obwohl man nichts über die Figuren weiß, zaubert die mit nur wenigen Dialogen auskommende Inszenierung zwischen epischen, ruhigen Bildern und hektischen Close-ups eine Nähe und Intensität, die einem den Atem raubt. IMAX-Format und beste Tontechnik lassen die Sessel bei jeder explodierenden Granate beben – und trotzdem verzichtet der Regisseur und Drehbuchautor auf bluttriefende Bilder.

Anders als bei ebenfalls intensiven, aber ganz anders angelegeten Genre-Meilensteinen wie etwa Steven Spielbergs Kriegsfilm „Der Soldat James Ryan“ (1998) oder der HBO-Miniserie „Band of Brothers – Wir waren wie Brüder“ (2001) setzt Nolan nicht auf Blut und fliegende Körperteile, sondern auf klassische Thrillerspannung.

Tatsächlich hatte er schon bei Drehbeginn tiefgestapelt, dass er keinen klassischen Kriegsfilm, sondern eher einen Suspense-Thriller über das Grundthema des Überlebens vor dem Hintergrund der „Operation Dynamo“ produziere. Am Ende ist es viel mehr geworden, nämlich großartige, beklemmende Spannungsware sowie dank echter Schiffe und Flugzeuge mit wenig erkennbarem CGI-Firlefanz ein authentischer Blick zurück auf eine der dunkelsten Stunden der Alliierten im 2. Weltkrieg, die jedoch im Licht endete.

Denn wegen unzähliger engagierter und tapferer Menschen wie Mr. Dawson wurden letztendlich Hunderttausende Soldaten von privaten Booten evakuiert. Daher ist „Dunkrik“ auch eine Liebeserklärung an England, seine unbeugsamen Bewohner und an die legendäre Supermarine Spitfire. Wenn die Jagdmaschinen vorbeidonnern, packen Nolans Sounddesigner den ohnehin infernalisch klingenden Rolls-Royce Merlin-Motoren noch ein akustisches Schlagobershauberl dazu – wer dafür einen Sinn hat, dem stellt es in diesen Momenten die Haare an den Unterarmen auf. Dafür sorgt auch die stets präsente, sehr bedrohliche Musik von Hans Zimmer. Die symbolisiert die immer näher rückenden Nazis, die man übrigens nie sieht. Erst ganz am Schluss sind verschwommen zwei Landser zu erkennen, ansonsten bleiben sie unsichtbar und anonym.

Getragen wird der Film nicht von den großen Namen wie Tom Hardy oder Kenneth Branagh als Admiral. Sie sind nur Nebenfiguren; „Dunkirk“ lebt von den jungen, schmalen Gesichtern der nächsten britischen Schauspielgeneration, die uns hier eindrucksvoll präsentiert wird (in einer kleineren Rolle sieht man etwa den ehemaligen „One Direction“-Frontman und Mädchenschwarm Harry Styles, der nicht nur am Mikrofon in seiner Funktion als Sänger, sondern auch vor der Kamera als Schauspieler eine gute Figur macht).

Fazit: Christopher Nolans „Dunkirk“ (2017) ist in jeder Hinsicht einer der beeindruckendsten Filme der letzten Jahre. Am Box Office lukrierte das Kriegsepos zwar „nur“ 527 Millionen US-Dollar – dafür, dass der Film aber ein sehr spezielles Thema behandelt und definitiv kein „Frauenfilm“ ist, ein Ergebnis, das man als sehr ansehnlich verbuchen kann!

Bei der Verleihung der 90. Academy Awards im Jahr 2018 war „Dunkirk“ in insgesamt acht Kategorien nominiert. Oscars gab’s schlussendlich für den besten Schnitt, den besten Ton sowie den besten Tonschnitt.

Im Jahr 2020 folgte Christopher Nolans 11. Film „Tenet“.