Beschreibung
Die Geschichte spielt an den Rändern der Gesellschaft. Auf der einen Seite stehen die Mitglieder der Widerstandsbewegung „French 75“, die inhaftierte Migrant*innen befreien und staatliche Behörden in die Luft jagen. Zu den Revolutionären gehört auch Bob Ferguson (Leonardo DiCaprio), ein Sprengstoffexperte, der eher Mitläufer als Mastermind ist. Seine Partnerin Perfidia (Teyana Taylor) dagegen lebt für die Provokation und das Adrenalin. Als das Paar eine Tochter bekommt, wird Bob zum Familienmenschen, doch Perfidia kann das Kämpfen gegen das System nicht aufgeben, bis eines Tages ein Banküberfall schiefgeht. Auf der anderen Seite befindet sich der Staat, der in "One Battle After Another" nicht durch Politiker*innen repräsentiert wird, sondern nur aus Militär und Polizei zu bestehen scheint. Verkörpert wird die Staatsgewalt durch den hart durchgreifenden Colonel Steven J. Lockjaw (Sean Penn), der es sich zur Aufgabe macht, die Widerstandskämpfer auszuschalten. Nach einem Zeitsprung treffen wir Bob als Vater einer Teenager-Tochter wieder, mit der er unter falschem Namen untergetaucht ist. Der einstige Revoluzzer ist nun ein bekiffter Versager, der von seiner Paranoia kontrolliert wird.
Rezension: Unsere Kritik zum Film
Wenn es Regisseur Paul Thomas Anderson in "There Will Be Blood" (2007) noch um die Dekonstruktion der Grundpfeiler und Werte der heutigen USA ging, geht es ihm knapp 20 Jahre später um das Ende des Landes. Der Film fängt den Zeitgeist in den USA perfekt ein, ohne plakativ zu werden. Trump wird nicht genannt, und doch ist geht es hochpolitisch zu. Anderson hat sich von den Themen des Romans "Vineland" von Thomas Pynchon, dessen Werk schon die Vorlage für "Inherent Vice" (2014) bildete, inspirieren lassen, die Geschichte aus der Reagan-Ära aber in eine nicht näher definierte Gegenwart verlegt. Die Umstände der Zeit ergeben sich allein aus der Ästhetik: schwer bewaffnete, aufgepumpte Soldaten, gruselig vertraut wirkende Geheimbünde weißer Männer im Untergrundbunker, Rebellion in grindigen Wohnungen. Die Gesellschaft ist nicht nur in zwei Lager gespalten, es gibt sie nicht mehr. Das Land erinnert mehr an jene Regionen, denen die USA einst die Demokratie gewaltsam schenken wollten. Nur vereinzelt wird der Bezug zur heutigen Zeit visuell ganz eindeutig. Wir sehen die Grenzmauer zu Mexiko und immer wieder in erbärmlichen Umständen lebende Geflüchtete. Gleichzeitig verklärt Anderson die Widerstandsgruppe nicht und wirkt selbstkritisch enttäuscht über die Versäumnisse der Linken. Das wird überspitzt deutlich in der lustigsten Sequenz des Films, in der der bekiffte Bob vor den anrückenden Soldaten fliehen muss und telefonisch den Treffpunkt in Erfahrung bringen will. Nur hat er die geheimen Passwörter des Widerstands vergessen.
Überhaupt ist "One Battle After Another" dank großartiger Leistung von DiCaprio oft irrsinnig witzig, aber dabei nie lächerlich. Im Gegenteil, der künstlerische Anspruch durchdringt jede Einstellung. Die auf dem lange nicht verwendeten VistaVison-Format (das auch Brady Corbet letztes Jahr für "Der Brutalist" nutzte) gedrehten Bilder sind detailreich und gigantisch. Trotz einer Laufzeit von 162 Minuten verfliegt die Story, dank des perfekten Schnitts zur treibenden Musik von Radiohead-Gitarrist Jonny Greenwood, wie im Flug und gipfelt in einer famos inszenierten Auto-Verfolgungsjagd in der Wüste. Im Kern geht es um eine Vater-Tochter-Beziehung, die Anderson, selbst vierfacher Vater, sichtlich am Herzen liegt. Er bringt für Bobs Fehler großes Verständnis auf, gibt aber auch Tochter Willa viel Raum. Die Newcomerin Chase Infinti kann DiCaprio in jeder Hinsicht das Wasser reichen und ist die große Überraschung, während Sean Penn als Gegenspieler allen die Show stiehlt. Mit seiner körperbetonten Darstellung eines Mannes, den man fürchtet und bemitleidet, dürfte er sich seinen dritten Oscar holen. Es wird wohl nicht die einzige Auszeichnung für diesen wilden Arthouse-Blockbuster bleiben, der seiner Zeit filmisch und inhaltlich voraus ist.