Die Passion Christi
Beschreibung

Mit Ausnahme einiger Flashbacks – die Jesus beim Letzten Abendmahl, bei der Bergpredigt, der Rettung von Maria Magdalena und als jungen, innovativen Tischler mit überraschend viel Sinn für Humor zeigen – beschränkt sich US-Regisseur Mel Gibson in seinem ultrabrutalen Bibeldrama „Die Passion Christi“ (2004) auf die letzten zwölf Stunden im Leben von Jesus von Nazaret (dargestellt von Jim Caviezel).

Das Leiden beginnt in der Nacht im Garten von Gethsemane. Jesus kniet betend im Licht des vollen Mondes, hat schreckliche Angst und zweifelt an seiner Mission; wissend, was da auf ihn zukommt. Tatsächlich – zur gleichen Zeit ist nämlich Judas gerade dabei, im großen Tempel bei Oberpharisäer Kaiphas seine 30 Silberlinge zu verdienen. Dieser Kaiphas (dargestellt von Mattia Sbragia) und seine Schergen sind der Motor der Verfolgung des Gottessohnes. An jeder Ecke, die ihre Macht gefährden könnte, wittern diese antiken Privilegienritter Ketzerei und Häresie – kein Wunder, dass ihnen der beliebte Jesus von Nazareth ein Dorn im Auge ist.

Dieser hat derweil des Nachts in einem Olivenhain bösen Besuch. Satan höchstpersönlich (erkennbar daran, dass er keine Haare am Kopf hat und ihm Maden aus der Nase fallen) will den Heiland in Versuchung führen. Aber Bibelfeste wissen: Er scheitert, und damit ist der Weg frei für die Häscher, die Christus einfangen und in den Tempel bringen. Gedreht ist diese ganze erste Sequenz in jenem Blau, das oft die naiv-naturalistischen Jesus- und Mariengemälde in älteren Bauernhäusern ziert.

Doch ab dann dominiert die Farbe Rot: Zuerst verprügeln die Pharisäer, deren Söldner und der Mob den Heiland. Als er vor Pontius Pilatus (Hristo Shopov) gebracht wird, lässt ihn dieser zuerst auspeitschen, um über Jeses nicht die Todesstrafe verhängen zu müssen. Mehr als zwölf Minuten lang nehmen die sadistischen Römer den Tischler in die Mangel, schlagen ihn mit Stöcken, dann mit widerhaken-bewehrten Geißeln. Am Ende sieht der Innenhof der Präfektur in dieser nur mit gutem Magen erträglichen Szene aus wie ein Schlachthaus, so viel Blut ist geflossen.

Doch den Pharisäern reicht diese Bestrafung nicht. Als ihnen Pilatus, der ein zwar kultivierter, aber nicht allzu dominanter Statthalter ist, die Wahl lässt, ob er den Mörder Barabbas oder Jesus freilassen soll, fordert die Menge Amnestie für den Mörder, das Kreuz für Jesus. Pilatus wäscht seine Hände in Unschuld, und das Schicksal nimmt seinen Lauf: Jesus wird auf den Berg Golgatha hinaufgepeitscht und in einer beispiellos grausamen Zeremonie gekreuzigt.

Als er stirbt, bebt die Erde – und der Tempel samt Thron des Oberpriesters bricht entzwei …

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TV-Media Bewertung

Fausthiebe detonieren mit diesem so oft in Hollywoodfilmen gehörten trocken-brutalen Schlaggeräusch im Gesicht des Mannes, dessen Kopf in Zeitlupe bei jedem Treffer hin- und herpendelt. Die verschwitzten Haare fliegen dazu passend herum, und wiederum in Zeitlupe geht er blutend zu Boden – was ihm noch sehr, sehr oft in diesem Film passieren wird.

Nein, das ist keine Reminiszenz an die mehr oder weniger geglückten „Rocky“-Filme von und mit Sylvester Stallone, und der Mann im Mittelpunkt des sadistischen Interesses ist kein Boxer, sondern der Heiland in Mel Gibsons „Die Passion Christi“ (2004).

Noch nie hatte es um einen Film im Vorfeld so viele scharfe inhaltliche Kontroversen und Proteste gegeben. Noch nie hat ein Film so genussvoll in Schmerzen, Leid und Blut eines Einzelnen gebadet – und noch nie hat ein Regisseur einen derartigen persönlichen Kreuzzug gestartet, um sein Lebenswerk, bei dem ihm nach eigenen Angaben der Heilige Geist die Regiehand geführt hat, realisieren zu können.

Obwohl einer schwer papstkritischen, von der katholischen Kirche nicht anerkannten fundamentalistischen Splittergruppe angehörend, soll sich Gibson darum bemüht haben, dass auch der Pontifex Maximus Papst Johannes Paul II. seinen Segen zu dem Passionsspiel gibt. Nach einem Sonderscreening im Vatikan soll der Heilige Vater den vieldeutigen Satz geäußert haben: „Es ist, wie es war.“

Abseits von der Debatte, ob die eindimensionale Darstellung der jüdischen Priesterschaft und des ebenfalls jüdischen Mobs, die beide fast schon hysterisch den Tod Jesu fordern, antisemitische Gefühle schürt (immerhin ist die These, dass die Juden am Tod Christi schuld seien, seit 2.000 Jahren das religiöse Unterfutter dieser unappetitlichen Haltung), muss über „Die Passion Christi“ gesagt werden: Über das Leben des Erlösers erfahren wir nichts Neues, dafür jede Menge darüber, was eiserne Widerhaken in menschlicher Haut anzurichten vermögen. Oder wie es sein muss, riesige Nägel durch Handflächen und Füße getrieben zu bekommen – beides ist in Großaufnahme zu sehen.

Auch fehlt – in einem Spielfilm unüblich – jedes Prinzip von Protagonist und Antagonist. Jesus ergibt sich in sein Schicksal, während der Mob geifert, Petrus an sich zweifelt (weil er den Herrn, wie vorausgesagt, dreimal verleugnet hat) und sich Judas, von Dämonen getrieben, pflichtschuldig neben einem madenübersäten toten Esel außerhalb der Stadt selbst erhängt.

Maria und Maria Magdalena (Monica Bellucci, die als Einzige dem Film mit samt und sonders unbekannten Nebendarstellern ein wenig Starappeal gibt) laufen mit Leidensmiene neben dem geschundenen Heiland her (der während des ganzes Films etwa 15 Liter Blut verloren hat) und haben nicht viel zu sagen.

Es entsteht der Eindruck, als hätte Mel Gibson einen Dokumentarfilm machen wollen. Tatsächlich wirkt „Die Passion Christi“ streckenweise wie eine jener rekonstruierten Handlungsstränge in einer „Universum“-Folge über antike Zeiten, diesmal eben in Palästina im Jahre 33, untermalt mit mal bombastischem, mal süßlichem Musikbrei.

Apropos Ton: Sämtliche Dialoge in „Die Passion Christi“ sind in Latein und Aramäisch gesprochen – es gibt also sehr viele Untertitel zu lesen.

Trotz all der Brutalität und der biblischen Thematik, spielte „Die Passion Christi“ (2004) weltweit 612,1 Millionen US-Dollar ein – und kostete gerade einmal 30 Mio. USD.