Rotzbub: Der DEIX Film – Willkommen in Siegheilkirchen

Rotzbub: Der DEIX Film – Willkommen in Siegheilkirchen

Beschreibung

Wir befinden uns im Jahr 1967 in der Gemeinde Siegheilkirchen, tief in der Provinz Niederösterreichs. Hier quält sich der Sohn des kriegsversehrten Gastwirts, von allen nur Rotzbub (Stimme: Markus Freistätter) genannt, durch Hauptschule und Pubertät. Der Pfarrer (Stimme: Juergen Maurer) ist ein bigotter Sadist, der Gendarm (Stimme: Armin Assinger) dauernd besoffen, am Stammtisch hocken alte Nazis, angeführt vom Friseur (Stimme: Thomas Stipsits), und die zwei Freunde vom Rotzbub, der überdrehte Wimmerl (Stimme: Mario Canedo) und Mitläufer Grasberger (Stimme: Maurice Ernst) sind oft auch mehr lästig als unterstützend.

Nur eines holt den Rotzbuben immer wieder aus der Tristesse: Sein Zeichentalent, das aber fest in der Hand seiner Hormone ist. Mit Hingabe zeichnet er großbusige Frauen, am liebsten die neue, dralle Fleischergehilfin (Stimme: Katharina Straßer).

Bewegung kommt erst nach Siegheilkirchen, als Onkel Neidhart (Stimme: Wolfgang Böck) zwar das Talent des Rotzbuben erkennt, das aber lieber für eigene Zwecke nützen will. Und dass sich der Rotzbub mit Neo-Cafétier Poldi (Stimme: Roland Düringer) und dessen Bier anfreunden kann – das würde er auch gerne bei der Roma-Tochter Mariolina (Stimme: Gerti Drassl) schaffen, die außerhalb des Orts mit ihrer Mutter (Stimme: Adele Neuhauser) samt Sippe campiert.

Die hält ihn jedoch auf Distanz. Und dann gibt es noch ein paar alte Nazitrotteln, die aus Blindgängern eine Bombe basteln wollen …

Rezension: Unsere Kritik zum Film

Wir erkennen: Für den österreichischen Animationsfilm „Rotzbub: Der DEIX Film“ (mancherorts auch unter dem Verleihtitel „Willkommen in Siegheilkirchen – Der DEIX Film“ geführt) konnten zwar beeindruckend große Stimmen – also aus Film, TV und Theater bekannte und prominente Synchronsprecher:innen – gewonnen werden, die Geschichte fällt allerdings eher dünn aus. Und das ist leider nicht die einzige Schwäche vom „Rotzbub“.

Seit fast zehn Jahren arbeitete man an der Idee, das künstlerische Universalgenie Manfred Deix mit einem Kinofilm zu würdigen. Anfangs war er noch selbst dabei, nach seinem viel zu frühen Tod im Jahr 2016 bekam das Projekt Schluckauf, es gab mehr Ideen, Drehbuchfassungen und Autoren als Parkplätze vor einem Einkaufscenter, die Kosten stiegen (6 Millionen Euro!), am Ende war durch die nötigen deutschen Co-Produzenten der Deutsche Marcus H. Rosenmüller der Regisseur.

Dass das vielleicht nicht die beste Entscheidung für diesen österreichischsten aller Stoffe war, wird schon nach wenigen Minuten „Rotzbub: Der DEIX Film“ (2021) klar. Denn der Film wird Werk und Genie von Deix leider nicht im geringsten gerecht. Wir versuchen, das in fünf Punkten nachvollziehbar zu machen:

Kritikpunkt 1, die Figuren: Ja, sie sehen oberflächlich aus wie von Manfred Deix (einige mehr, andere weniger), bleiben aber in Aussehen, Haltung und Handlung zweidimensional und an der Oberfläche, statt wie bei Meister Deix mit einem Bild, mit einem Statement alles bis in die Tiefe klar zu machen. Vor allem die Figuren, die sympathisch sein sollen (Vater, Titelfigur, der Espressobetreiber) sind Andeutungen von Deix-Figuren.

Kritikpunkt 2, der Humor: Es mag pervers sein, hier Michael Haneke zu zitieren, aber der soll gesagt haben, dass sich die Qualität eines Films in den Details findet. Anders als in den Deix-Cartoons gibt es hier aber keine Details, kaum versteckten Witz in den hinteren Bildebenen, den man erst beim zweiten oder dritten Mal findet. Dazu null Dialogwitz, nur das Missverständnis, dass breiter ländlicher Dialekt Wortwitz oder gar Anarchie ersetzt. „Rotzbub: Der DEIX Film“ (2021) ist – und das ist in einem Manfred-Deix-Umfeld tödlich! – leider nicht lustig.

Kritikpunkt 3, Anarchie und Bosheit: Nur in Ansätzen vorhanden, erst gegen Schluss. Aber zu wenig, zu brav, am Ende viel zu gegenwärtig politisch korrekt, um auch nur in die Nähe des respektlosen Universums von Deix zu kommen.

Kritikpunkt 4, die Atmosphäre: Der Austro-Animationsfilm „Rotzbub: Der DEIX Film – Willkommen in Siegheilkirchen“ spielt im Jahr 1967 in der tiefsten Provinz. Was für ein Spielfeld wäre diese Zeit voll Gesundwatschenfestischismus, Dauerraucherei, billiger Dauersauferei, Irrationalität, Kameradschaftsbund, Kirchen- und Lehrermacht gewesen: Es wird kurz angedeutet, aber nicht bespielt. Auch die Darstellung dieser Zeit in Design, Einrichtung, Technik, Sprechweise, vor allem in der Musik lassen Rosenmüller & Co lieber zugunsten unverbindlicher Zeitlosigkeit aus – und verschenken so die üppigsten Satiremöglichkeiten. Kein Spiel mit dem damals allgegenwärtigen, altbackenen Biederschlager-Terror, keine Hoffnung auf Erlösung wie die Rolling Stones oder die von Deix lebenslang bewunderten Beach Boys. Auch hier bleibt das Gefühl von zu vielen vergebenen Elfmetern und ausgelassenen Möglichkeiten.

Kritikpunkt 5: Am allerschwersten aber wiegt das Missverständnis, wozu ein Animationsfilm da ist. Das ist ein Genre der Wunder und des Zaubers ohne Grenzen, dafür mit endlosen visuellen, humoristischen, erschreckenden, tragischen, sensationellen und überraschenden Möglichkeiten aus allen Depots der Fantasie. Genau jener Geist, der das Genie Manfred Deix ausgemacht hat. Doch die Macher von „Rotzbub: Der DEIX Film – Willkommen in Siegheilkirchen“ (2021) ignorieren diese Möglichkeiten. Der Film sieht in jeder Einstellung aus wie eine brav gemachte TV-Landkomödie nach einem dünnen Leichtgewichtsdrehbuch, die Animation wird allein zur Imitation des Deix-Stils benützt. Das hätte man, hart gesagt, auch um weniger als die Hälfte des Geldes haben können, nämlich als Realfilm.

Fazit: Lange gewartet, sehr drauf gefreut und nun ziemlich enttäuscht. Der Versuch einer Hommage an Manfred Deix (1949–2016), wird dem Werk des großen Austro-Karikaturisten leider nicht wirklich gerecht.