Alle Fäden des Marvel-Universums laufen zum ultimativen Showdown zusammen: Mit Donnergetöse und Tränen im Augenwinkel beendet Avengers: Endgame Phase 3 des Marvel Cinematic Universe. Anthony und Joe Russo krönen sich damit zu den absoluten, aber weisen Königen im Reich der Superheldenfilme.
Elf Jahre, 21 Filme, 19 Milliarden Dollar: Die beispiellose Wucht des Marvel Cinematic Universe, die über ein Jahrzehnt kumulierte emotionale Aufladung dieser so unterschiedlich, aber schicksalhaft miteinander verschränkten Superheldenwelt, die Sehnsucht, Hoffnung und Liebe der Fans – all das fokussiert sich in drei Stunden purem Blockbusterkino, das nun weltweit die Leinwände beben lässt. TV-MEDIA hat den heiß ersehnten Höhepunkt Avengers: Endgame gesehen. Doch bevor wir verraten, ob das große Finale dem Vorab-Hype gerecht wird, ein kurzer Blick zurück auf das, was bisher geschah.
Was bis zum fiesen Cliffhanger geschah
Vor dem fiesesten Cliffhanger der jüngeren Filmgeschichte (nur vergleichbar mit der Niederlage der Rebellen inklusive des in Carbonit eingegossenen Han Solo am Ende von Das Imperium schlägt zurück anno 1980) mussten Nick Furys Superheldentruppe und das gesamte Universum ein vernichtendes Waterloo hinnehmen. In Film Nr. 20, Avengers: Infinity War, hat der von einer seltsamen Reinheitsphilosophie getriebene intergalaktische Kriegsherr Thanos (Josh Brolin) gegen jeden Widerstand alle sechs sogenannten Infinity-Steine an sich gebracht, die absolute Macht verleihen – und mit einem Fingerschnippen die Hälfte des Universums ausgelöscht, um seine Definition vom Gleichgewicht der Schöpfung herzustellen. Auch die Hälfte aller Superhelden – von Spiderman und Nick Fury über Black Panther bis Dr. Strange – hat sich in vom Winde verwehte graue Partikel aufgelöst; Tony Stark alias Iron Man (Robert Downey Jr.) treibt ohne Hoffnung auf Heimkehr auf einem havarierten Raumschiff Lichtjahre weit von der Erde weg durchs All. Insgesamt also Stimmung und Situation wie am 27. März 1999, als Österreichs Fußball-Nationalmannschaft in Spanien 0:9 gegen die Gastgeber abbiss.
Tipp zu Endgame: Unbedingt die Abenteuer davor anschauen bzw. nachlesen
Hier der erste kleine Tipp: Sollten Sie im MCU nicht halbwegs sattelfest sein und nur zwei, drei Filme gesehen haben, ist es nicht die dümmste Idee, zumindest nachzulesen, was in den vorangegangenen 21 Abenteuern ungefähr passiert ist. Welche Helden, Wesen und sonstigen Figuren haben eine besondere Rolle gespielt? Wie sind die emotionalen Kabel zwischen ihnen und den Hauptfiguren aus dem Finale gelegt? Das ist zwar ein ziemliches Repetitorium, in diesem Fall aber wirklich nötig, um Avengers: Endgame zu verstehen. Und ganz ehrlich: Bei Game of Thrones, Breaking Bad oder The Walking Dead haben wir uns ja auch die roten Fäden über jeweils mehrere Dutzend Folgen verinnerlicht.
Wer rechnen kann und sich nun wundert, warum hier vom 20. und 22. Film des MCU die Rede ist: Zwischen den beiden Avengers-Abenteuern wurde noch Captain Marvel eingeschoben, der die Genesis einer Figur zeigt, die bis dato unbekannt war im MCU, aber im Finale eine entscheidende Rolle spielen wird. Und damit sind wir auch mitten in Avengers: Endgame.
Captain Marvel als Hoffnungsschimmer
Einige Tage nach der Niederlage haben die überlebenden Avengers die Geschehnisse noch immer nicht verdaut. Captain America (Chris Evans) ist ebenso ratlos und deprimiert wie Bruce Banner (Mark Ruffalo), Thor (Chris Hemsworth), War Machine (Don Cheadle) oder Black Widow (Scarlett Johansson). Vergeblich scannen sie das All nach einer Spur von Thanos, alles scheint verloren. Da taucht aus den Tiefen des Weltraums ein gleißender Hoffnungsschimmer auf: Captain Marvel (Brie Larson), und sie bringt auch gleich das Raumschiff mit Tony Stark und der abtrünnigen Thanos-Tochter Nebula (Karen Gillian) mit. Der geniale Iron-Man-Erfinder kommt nicht darüber hinweg, dass er Peter Parker/Spider-Man im Kampf verloren hat.

Tony Stark ist nicht gut drauf
Trotzdem gehen die Avengers einem Hinweis nach, wo Thanos sein könnte: Er hat sich quasi in seinen Schrebergarten auf einem einsamen Planeten zurückgezogen, weil es nach der Auslöschung der einen Universumshälfte nichts mehr für ihn zu tun gibt. Als die Avengers, verstärkt durch die fast unendlich mächtige Captain Marvel, Thanos stellen, um ihm die Infinity-Steine zu entreißen, die mächtig genug wären, das Geschehene ungeschehen zu machen, ist der nicht mehr derselbe: schwach und vor allem ohne die Steine. Er hat sie vernichtet und sich dabei fast selbst getötet, nichts kann seine Tat ungeschehen machen. Die Avengers sind endgültig gescheitert …
Ant-Man ist wieder da
Fünf Jahre vergehen. Die Welt hat sich noch immer nicht vom gewaltigen Aderlass erholt, auch nicht unsere Superhelden. Black Widow versucht zwar, die Avengers zusammenzuhalten. Aber Tony Stark hat die Rüstung traumatisiert an den Nagel gehängt und kümmert sich um seine Frau Pepper (Gwyneth Paltrow) und die gemeinsame kleine Tochter. Captain America leitet eine Selbsthilfegruppe für Veteranen, Bruce Banner ist wieder Forscher geworden, diesmal allerdings andauernd in seiner Gestalt als Hulk, bloß freundlich und mit Nerdbrille.

Captain America leitet eine Selbsthilfegruppe für Veteranen

Bruce Banner ist wieder Forscher

Ant-Man ist wieder da
Thor und Hawkeye sind ihrer Wege gegangen, auch Captain Marvel ist wieder zu Missionen in andere Galaxien verschwunden. Da löst eine Ratte in einem Lagerraum, wo der Van mit den Schrumpfungsgerätschaften von Ant-Man Scott Lang (Paul Rudd) versteckt ist, einen Impuls aus und aktiviert die Geräte: Ant-Man, der die letzten fünf Jahre geschrumpft im subatomaren Raum festgesessen ist, wird wieder in Normalgröße in unsere Gegenwart gespuckt. Er ist entsetzt, was aus der Welt geworden ist, die er vor fünf Stunden verlassen hat.
Thor – ein fetter Couchpotato?
Laut den Gesetzen der Quantenmechanik vergeht in diesem subatomaren Raum nämlich die Zeit völlig anders. Und das könnte die Lösung sein: Wenn die verbliebenen Avengers mit der Technik des Mentors Hank Pym (Michael Douglas), verbessert durch Tony Stark, in diesen subatomaren Raum steigen, könnten sie durch die Zeit zurückreisen, die Infinity-Steine einsammeln, bevor Thanos sie bekommt, und so alles ungeschehen machen.

Thor hat sich etwas gehen lassen

Eine dezimierte Heldentruppe
Doch erstens ist die dezimierte Heldentruppe nicht so leicht von diesem Plan zu überzeugen, zweitens weigert sich Tony Stark, noch mal den Superhelden zu spielen bzw. mit Captain America zusammenzuarbeiten, drittens ist Hawkeye zu einem Selbstjustizkiller und Thor zu einem fetten Couchpotato geworden – und was macht man, wenn man in der Vergangenheit sich selbst und vor allem Thanos und seinen Schergen begegnet …?
Fazit: Was soll Avengers: Endgame – und vor allem wie – in Zukunft noch toppen?
Lehnen Sie sich zurück, atmen Sie durch und lassen Sie sich auf das wahrscheinlich größte, wuchtigste und streckenweise atemberaubendste Superheldenspektakel ein, das die Filmgeschichte bisher zu bieten hatte. Ja, das ist eine ziemlich fette Superlativkette, aber Marvel/Disney-Mastermind Kevin Feige, seine Drehbuchautoren Christopher Markus und Stephen McFeely sowie die Regiebrüder Russo haben hier fast alles richtig gemacht.

Rocket Raccoon ist mit von der Partie
Ja, der Film ist drei Stunden lang, und zwischendurch besteht kurz die Gefahr, dass sich die Sache ein wenig einbremst und zieht, aber kaum hat man das gedacht, steigert sich das Tempo wieder. Tatsächlich fließen die Komponenten, Themen, Figuren und Geschichtenteile der MCU-Filme, die bisher für sich allein gestanden sind, in ein großes, komponiertes Finale ein, plötzlich bekommen viele Nebensächlichkeiten, die man früher bei den unterschiedlichen Heldinnen und Helden sah, einen neuen, tieferen Sinn. Über die Actionszenen, vor allem aber die zweite Hälfte und den großen Showdown braucht man keine großen Worte verlieren; gelegentlich ertappt man sich lediglich beim Gedanken: Wie soll das in Zukunft getoppt werden?
Endgame: Da sind ganz große Gänsehaut-Momente garantiert
Noch schwieriger, aber bravourös gemeistert ist die Balance zwischen den Gefühlen. Der große Hollywood-Regiealtmeister Howard Hawks (Blondinen bevorzugt, Rio Bravo) wurde mal gefragt, wie er einen wirklich guten Film definiere. Seine Antwort, und die gilt bis heute: „Mindestens drei großartige Szenen, keine schlechte.“ Im Sinne des goldenen Hollywood übererfüllt Avengers: Endgame diese Definition mehrfach. Denn es gibt unfassbar rührende Szenen, die nahe am Wasser gebautes Publikum zum Taschentuch greifen lassen werden, und zwar über das gesamte Möglichkeitenspektrum hinweg. Etwa wenn wir lieb gewonnene Avenger-Mitglieder endgültig verlieren (ja, es werden nicht alle den Kampf ums Universum überleben, und manche scheiden freiwillig aus und geben die Wunderwaffen weiter), wir aber trotzdem das Gefühl mitbekommen, dass diese Figuren ihren Frieden mit sich, der Welt, ihrer gebrochenen Existenz und ihrer Aufgabe gemacht haben.
Oder wenn Tony Stark in der Vergangenheit seinen Vater Howard trifft, als Tony noch nicht auf der Welt ist, und er sich mit dieser übergroßen Nemesis, die sein ganzes Leben überschattete, aussöhnt, ohne dass der Vater in spe genau weiß, was da vor sich geht – ganz großes Gefühlskino. Und da haben wir aus Spoilergründen noch nicht von den großen Gänsehaut-Momenten der Endschlacht gesprochen ...
Am anderen Pol ist Avengers: Endgame dank der passenden Figuren (Ant-Man! Rocket!! Hulk!!!) mit so viel Witz, Pointen und bissigem Humor abgefedert, dass die Tränen-Taschentücher rasch wieder in der Tasche verschwinden; alleine Thor als bierbäuchiger Hüftgold-Teddy, der lieber Bierflasche und Game-Controller in der Hand hält als seinen Hammer Mjölnir, könnte einen weiteren Film füllen (was den Gerüchten nach auch der Fall sein wird).
Insgesamt ist diese Mischung, wenn man das Genre im allgemeinen und das MCU im besonderen mag, die Gourmetkrönung, die wohl die meisten Fans mehr als zufriedenstellen sollte. Was in der sensiblen Welt der Comicverfilmungen durchaus nicht die Regel ist.
Fazit: Mehr Zittern, Bangen, Lachen und Weinen in einem (über)langen Blockbuster-Superhelden-Comicfilm geht wahrscheinlich nicht mehr. Der Film liefert genau das, was von ihm erwartet wird, und in einigen Augenblicken auch ein oder zwei Löffel mehr.